Nachdem der Blog recht Tenorsax-lastig war, wird es jetzt Zeit zum Altsax zurückzukehren. Dazu bedarf es allerdings einer Zeitreise an den Anfang des letzten Jahrhunderts.
Wie wir alle wissen, ist unsere heutige, westliche Zeitrechnung durch die Geburt des Erlösers Jesus Christus in zwei Abschnitte geteilt: Ante Christum natum und Anno Domini. Im Jazz ist das ganz genau so, nur, dass das Jahr der Teilung in dem Fall 1920 war; das Geburtsjahr Charlie Parkers, der aufgrund seines enormen Einflusses den Lauf der Musik in eine Zeit vor und nach sich geteilt hat (Ja, nagut, das mag etwas übertrieben sein, aber irgendwie stimmt das schon... Man könnte mit dem unangebrachten Jesus-Parker-Verglich jetzt noch weiter gehen und erwähnen, dass Parker auch im Alter zwischen 30 und 40 gestorben ist und man etwa drei Tage nach seinem Tod das Grafitti "Bird Lives" an einer Hauswand entdeckt hat, aber das geht nun wirklich zu weit :) )
Überlegt man nun, wer vor Charlie Parker auf prägende Weise Altsaxophon gespielt hat, werden einem vermutlich nicht sehr viele Namen einfallen. Einige gibt es aber doch und die solltet ihr euch mal anhören. An erster Stelle wäre da sicherlich
Earl Bostic zu nennen, den man wohl als Erfinder des Growls bezeichnen würde. Er war sicherlich einer der ersten Meister und hat in den 40er und 50er
Jahren schon viele Dinge auf dem Saxophon gemacht, an die sich dann erst
einige Jahrzehnte später wieder Leute gewagt haben. Es gibt sogar Berichte über Sessions, auf denen Bostic Parker zu dessen Glanzzeiten an die Wand gespielt haben soll (Ähm...wie bitte?).
Zwei andere Altsaxophonisten, die im Vergleich zu Bostic aber doch eher im traditionellen Swing beheimatet waren, sind
Jimmy Dorsey, Bruder des etwas berühmteren Posaunisten Tommy Dorsey und
Willie Smith. Ebenfalls zwei sehr beeindruckende Altisten, die zweifelsohne Einfluss auf Parker hatten.
Hodges 1958 in Paris. Bild von: https://jazzinphoto.files.wordpress.com/2011/09/johnny-hodges-paris-france-1958-h-leonard.jpg?w=450
Neben diesen drei Herren gibt es aber noch einen weiteren, der vermutlich noch deutlich bekannter ist und wohl zuerst in den Sinn kommt, wenn man über Altsaxophonisten vor Parker nachdenkt. Ich kann mich noch genau daran erinnern, als ich ihn zum ersten Mal gehört habe (leider folgt jetzt keine coole Geschichte über einen rauchigen Jazzschuppen, in den man sich irgendwie als kleiner Junge reingeschlichen hat und dann eine Offenbarung erlebt hat - naja, immerhin war ich noch recht jung). Ich hatte eine Duke Elligton CD mit seinen größten Hits zum Geburtstag bekommen. Ich kann mich sogar noch daran erinnern, dass es Lied Nummer 4 war, das mich verzauberte - Things Ain't What They Used to Be. Der Moment als
Johnny Hodges' Altsaxophon sich aus dem Klangteppisch der Band erhob und er begann, eine wunderschöne Melodie, einer Gesangsstimme gleich, auf dem Saxophon zu singen, war wie eine Offenbarung (na also - geht doch). John Cornelius Hodges war der Mann für Balladen in Elligtons Band und wohl der Star am Saxophon. Wie er die Töne formt und mit der Intonation spielt ist einmalig, weshalb man ihn auf Anhieb aus hunderten Anderen erkennen könnte. Sein Spiel ist so elegant und gefühlvoll, dass moderne Saxophisten dagegen fast emotionslos und kalt klingen.
Bild von: https://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-jazz-world/johnny-hodges-102.html
Hodges' Sound authentisch nachzuahmen ist eine Herausforderung und vor etwas mehr als zehn Jahren war mein damaliger Saxophonlehrer wohl der Meinung, ich sollte mich dieser Herausforderung stellen. Er brachte die CD Duke Ellington At the Alhambra (Live in Paris, 1958) mit und trug mir auf, Johnny Hodges' Performance von All of Me zu transkribieren. Das bedurfte keiner großen Überzeugungsarbeit.
Hodges spielt eine brillant varriierte Melodie und stelle unter Beweis, weshalb er der Starsolist des Ensembles war. Seine Phrasen sind so lufitg leicht und voll kleiner Verzierungen, sein Ton so lieblich und verspielt, dennoch mit intensivem Vibrato und dann in anderen Momenten so stark und voluminös. Seine Melodien winden sich immer wieder nach oben und kulminieren in einer langen Note, die mit starkem Bend von weit unten entsteht, stark im Swing verwurzelt und Assoziationen zu verschiedenen Sängerinnen und Sängern weckend. Ja, er war wirklich dazu in der Lage auf dem Sax zu singen. Herrlich! Nahezu jeder Takt bietet eine kleine Besonderheit (das wusste ich zugegeben als ich es damals im Unterricht gespeilt habe noch nicht zu schätzen.).
Ein besonderes Highlight und ein Stück Jazzgeschichte sind auch die Anfeuerungsrufe der anderen Bandmitglieder. Das war zu dieser Zeit nichts Außergewöhnliches und meine Bandkollegen müssen das auch von mir immer mal ertragen, wenn sie richtig gute Sachen spielen. #
Keeping the traditions alive :)
So, jetzt wurde genug geschrieben. Hier ist das Solo:
Wenn ich die Transkription heute lese, muss ich zugeben, dass ich einiges anders aufschreiben würde und man da auch noch den ein oder anderen Ton ergänzen könnte aber ich denke es genügt, um sich einen Eindruck zu machen und die vielen kleinen Nuancen muss man sowieso mit der Aufnahme herausarbeiten. Also viel Spaß beim Üben.
Im Anschluss findet ihr noch die Aufnahme über Spotify (Lied Nummer 9). Ich freue mich über Kommentare!